Freitag, 29. März 2024

Archiv

"Dekolonisiert euch!"
Postkoloniale Denker im Gespräch

Rassismus und koloniales Denken sitzen tief in westlichen Gesellschaften. Um diese lange eingeübten Denkmuster aufzubrechen, braucht es auch nicht-weiße Stimmen. In unserer Sommerreihe kommen sie zu Wort.

17.07.2020
    Teilnehmerin einer Demonstration gegen Rassismus Ende Juni 2020 in München
    Teilnehmerin einer Demonstration gegen Rassismus Ende Juni in München (imago / Sachelle Babbar)
    Kaum eine westliche Gesellschaft ist sich über den eigenen verdeckten Rassismus im Klaren. Jahrhundertealte Denkmuster einer vermeintlichen Überlegenheit scheinen gleichsam in die kulturelle DNA der Mehrheitsgesellschaft übergegangen zu sein. Die Proteste gegen Rassismus in den USA haben gezeigt, wie brennend aktuell dieses Thema ist.
    Auch Menschen in Deutschland beklagen Rassismus im Alltag. Und in der Kultur hat die Diskussion etwa ums Berliner Humboldt-Forum, ebenso wie die Vorschläge von Benédicte Savoy und Felwine Sarr zur Rückgabe von geraubtem Kulturgut, wichtige Erkenntnisse zur Neubewertung von kolonialen Kunstschätzen geliefert.
    Für die Sommerreihe zur Deutschlandradio-Denkfabrik "Eine Welt 2.0 - Dekolonisiert euch!" sprechen wir in den Kulturfragen jeweils sonntags um 17.05 Uhr mit postkolonialen Denkerinnenn oder Kolonialismusforscherinnen, mit Philosophinnen, Kuratorinnen oder Museumsfachleuten aus den betreffenden Ländern.
    Dabei vollziehen wir einen echten Perspektivwechsel und lassen ausdrücklich nicht-weiße Stimmen zu Wort kommen.
    Berlin 20.07.2020: Straßenschilder und U-Bahnstation in der Mohrenstraße. Im Bild ist das Straßenschild Mohrenstraße durch einen Anton-W.-Amo-Straße überklebt worden.
    "In rassistischen Wörtern steckt sehr viel Gewalt"
    Es gibt eindeutig kolonial grundierte Begriffe wie das N-Wort. Und es gibt subtilere wie etwa "Dschungel" oder "Tropenmedizin". Im Dlf erklärt die Sprachkritikerin Susan Arndt, wann ein Wort rassistisch ist - und was man stattdessen sagt.
    Ein Missionar mit kongolesischen Männern, die die amputierten Hände von zwei weiteren Männern zeigen (Lingomo and Bolenge), die als Kautschuk-Wachen von der ABIR (Anglo-Belgian India Rubber Company) beschäftigt waren. Demokratische Republik Kongo, Distrikt Nsongo. Foto von Alice Seeley Harris und ihrem Ehemann John Harris. Aufnahmedatum um 1904 geschätzt. Das Foto wurde verwendet, um den Roger Casement-Fall zu unterstützen. Roger Casement war ein britischer Diplomat, der entscheidend an der Aufklärung der Kongogräuel beteiligt war.
    Sind Objekte aus kolonialen Kontexten Raubgut?
    Die Anthropologin Bambi Ceuppens plädierte dafür, alle Objekte aus kolonialen Kontexten als Raubgut zu sehen. Man könnte ganz einfach jetzt schon Besitzverhältnisse übertragen.
    Aufarbeitung - "Wir müssen tiefer graben"
    Vom Entfernen von Denkmälern und dem Tilgen von Spuren der Kolonialgeschichte hält die französisch-marokkanische Schriftstellerin Leïla Slimani nichts.
    Statue von Immanuel Kant in Kaliningrad.
    Aufarbeitung des Kolonialismus - "Kein philosophisches Denken ist heilig"
    Die Geschichte der Philosophie neu gedacht werden, sagte Philosophin Nadia Yala Kisukidi: "Es gibt eine Sammlung von Idiotien in der Philosophie, und die muss man zerpflücken."
    Dekolonisierung der Museen - "Ein Prozess, den die Museen als offene Häuser begleiten können"
    "Völkerkundemuseen" entstanden damals mit klaren politischen Zielen, sagt die Museumsdirektorin Nanette Snoep. Inzwischen seien sie aber dabei, sich neu zu erfinden.
    Kolonialismus und Rassismus - "Ignoranz gegenüber der eigenen Ignoranz"
    Europa muss die Arroganz im Umgang mit seinem kolonialen Erbe aufgeben, fordert die indische Wissenschaftlerin Nikita Dhawan. Das Berliner Humboldt-Forum etwa sei konzeptionell "feudal".