Heuschrecken-Plage in Ostafrika

Jetzt hilft nur noch Gift

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Ein rieser Schwarm von Wanderheuschrecken umkreist einen Baum in der kenianischen Steppe.
Ganz Ostafrika ist derzeit von riesigen Schwärmen von Wanderheuschrecken bedroht. © Picture Alliance / Wildlife / JBS
Axel Hochkirch im Gespräch mit Ute Welty · 12.02.2020
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Kenia, Somalia, Uganda und Äthiopien leiden derzeit massiv unter einer Heuschreckenplage. Man hätte viel früher anfangen müssen, die Plage zu bekämpfen, sagt der Biologe Axel Hochkirch. Nun sei nur noch ein großflächiger Einsatz von Gift möglich.
Ute Welty: Die Bibel lässt grüßen. In Ostafrika und auch in Pakistan fressen Millionen von Heuschrecken die Felder leer. Das führt zu massiven Versorgungsproblemen der Menschen dort. Axel Hochkirch ist Professor für Naturschutzbiologie in Trier. Die Heuschrecke ist das Tier der "achten Plage", sie ist aber auch Nahrung für Johannes den Täufer. Wie gut oder wie schlecht sind Heuschrecken?

Zwölf Heuschreckenarten können zur Plage werden

Hochkirch: Man kann nicht alle Heuschrecken über einen Kamm scheren. Es gibt insgesamt 28.000 Heuschreckenarten, und nur zwölf davon können solche großen Plagen bilden, das heißt, im Großen und Ganzen sind die meisten Heuschrecken einfach ganz normale Insekten.
Das gilt eigentlich auch für die Wanderheuschrecken, die jetzt unterwegs sind – die sind normalerweise auch solitär, also kommen einzeln vor –, und nur wenn die Umweltbedingungen besonders gut sind, dann bilden sie solche großen Plagen.
Welty: Was können denn betroffene Länder tun, wenn es jetzt aktuell darum geht, Abhilfe zu schaffen?
Nahaufnahme einiger Wanderheusckrecken, die auf einem Baum sitzen.
Auch die Vereinten Nationen haben inzwischen vor den Auswirkungen der Heuschreckenplage auf die Lebensmittelsicherheit gewarnt.© AFP / Tony Karumba
Hochkirch: Normalerweise muss man natürlich viel früher anfangen, als das jetzt geschehen ist, das heißt, wenn man merkt, dass es zu solchen Massenvermehrungen kommt, dann kann man das Ganze eigentlich schon im Anfang ersticken.
Das war allerdings bei dieser Plage jetzt nicht möglich. Das ging eigentlich schon 2018 im Jemen los. Weil dort momentan auch Krieg herrscht, war natürlich die Bekämpfung nicht möglich – die ganze Ausrüstung vom Jemen ist zerstört worden, um Heuschrecken zu bekämpfen.
So hat sich das Ganze natürlich exponentiell vervielfacht, das Problem, und das Einzige, was die dortigen Staaten jetzt noch machen können, ist wirklich großflächig Gifte einzusetzen, um die Heuschrecken zu bekämpfen.
Welty: Mit welchen Nebenwirkungen?

Vielfältige Nebenwirkungen

Hochkirch: Die Nebenwirkungen sind natürlich sehr vielfältig. Es wird der Mensch davon beeinflusst, weil viele afrikanische Völker sich auch von den Heuschrecken ernähren, also ähnlich wie Johannes der Täufer, und die Information auf dem Land natürlich nicht überall so gut funktioniert, dass man weiß, diese Tiere sollte man jetzt nicht essen, weil sie eben behandelt wurden.
Das Zweite ist, dass es gerade in Ostafrika – insbesondere Somalia, Äthiopien, Kenia – auch viele sehr seltene Insektenarten gibt, die natürlich von diesen Behandlungen ebenfalls mit betroffen sind.
Welty: Sie haben gerade schon die Heuschrecke als Proteinquelle angesprochen – wäre jetzt nicht der ideale Zeitpunkt, genau einen solchen Plan in die Realität umzusetzen?
Hochkirch: Das scheitert natürlich ein bisschen an diesen enormen Massen von Heuschrecken, die da unterwegs sind. Der größte Schwarm, der dort gemessen wurde, hatte eine Ausdehnung von 20 mal 40 Kilometern. Wenn man weiß, dass auf einen Quadratkilometer bereits einige Millionen Heuschrecken unterwegs sein können, dann weiß man, welche riesigen Mengen man da vorfindet. Aus diesem Grunde ist es natürlich nicht möglich, die jetzt alle irgendwie abzusammeln und zu verzehren, das ist einfach zu viel Angebot in kurzer Zeit.
Welty: Welchen Einfluss auf diese Vermehrung von Heuschrecken hat die Erderwärmung?

In den Brutgebieten wird es feuchter

Hochkirch: Die Erderwärmung spielt auf jeden Fall dabei eine Rolle. Wie Sie erwähnt haben, gab es natürlich auch schon seit biblischen Zeiten solche Heuschreckenplagen, die treten immer mal wieder auf. Das Ganze passiert dann, wenn es besonders feucht wird in den Brutgebieten – im südlichen Arabien, in Ostafrika oder auch in Südwestasien.
Das passiert laut den Klimaprognosen der IPCC immer häufiger, das heißt, es wird prognostiziert, dass es in diesem Gebiet immer feuchter wird. Das heißt, da drehen sich ein bisschen die Luftströme um, es kommt dadurch zu einer feuchteren Situation in Ostafrika und einer trockeneren in Australien, was dann wieder die großen Feuer in Australien mitverursacht hat.
Welty: Wenn wir jetzt mal langfristiger denken, was könnte eine genetische Veränderung der Heuschrecke bewirken? Das Problem wird ja offensichtlich nicht kleiner, sondern größer.
Hochkirch: Das Problem selber wird größer, und eigentlich braucht man nicht so eine Strategie wie die genetische Veränderung von Heuschrecken. Das, was man eigentlich bräuchte, wäre eine vernünftige Einleitung von frühzeitigen Bekämpfungsmaßnahmen.
Es gibt ein sehr gutes Monitoring, es wurde schon sehr früh vor der Krise gewarnt, gescheitert ist es an dieser Krisensituation in diesen Ländern, Jemen, Somalia, Sudan. Das sind alles Gebiete, wo die Bekämpfung nicht möglich ist, wo die Kapazitäten fehlen, wo es einfach momentan auch die Sicherheitslage gar nicht zulässt.
Das müsste eigentlich eher angegangen werden, da muss es Prioritäten geben. Diese Gefahr ist einfach so groß für die gesamte Bevölkerung, dass es eigentlich immer sehr hoch auf der Agenda stehen sollte, solche Plagen zu verhindern.
Welty: Auch in Europa hat es Heuschreckenplagen gegeben, die letzte Mitte des 19. Jahrhunderts. Was hat dagegen geholfen?

Den Lebensraum auf dem Balkan zerstört

Hochkirch: Dagegen hat geholfen, dass man die Lebensräume der Wanderheuschrecken auf dem Balkan, insbesondere in den Donauauen, zerstört hat. Dadurch, dass man die gesamten Auen trockengelegt hat, landwirtschaftlich genutzt hat, sind die Bedingungen für die Wanderheuschrecken dort einfach nicht mehr so gut, dass sie sich in solchen Mengen vermehren können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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