Freitag, 29. März 2024

Archiv

Weltspiele – Sport und Kolonialismus (6)
China bezahlt Rohstoffe mit Stadien

China hat in Afrika ein verzweigtes Netz an Abhängigkeiten geknüpft. Peking gestattete den Ländern günstige Kredite und sicherte sich langfristig den Zugang zu Öl, Kupfer oder Kobalt. Eine Methode ist auch die sogenannte Stadiondiplomatie, mit der Rohstoffe mit Stadien bezahlt werden.

Von Ronny Blaschke | 26.07.2020
Der chinesische Präsident Xi Jinping und sein senegalesischer Amtskollege Macky Sall nehmen an einer Übergabezeremonie der National Wrestling Arena teil, die mit chinesischer Hilfe in Dakar errichtet wurde
Übergabefeier im Juni 2018: Die National Wrestling Arena in Dakar wurde mit chinesischer Hilfe errichtet (imago / Xinhua)
Im Juli 2018 ist die senegalesische Hauptstadt Dakar mit chinesischen Flaggen geschmückt. Auf seinem Staatsbesuch erhält der chinesische Präsident Xi Jinping Gratulationen und Danksagungen. Vor allem für die Finanzierung und den Bau von Infrastruktur: von Schulen, Krankenhaus, Theater oder Museum. Xi Jinping besucht auch das neue Nationalstadion für Ringen, einen beliebten Sport im Senegal. Xi lobt die chinesische Baudisziplin und übergibt den Gastgebern einen symbolischen Schlüssel, erinnert Ding Guanghui von der Universität für Ingenieurwesen und Architektur in Peking.
"Stadien sind oft die weit sichtbaren Wahrzeichen von Städten. Um sie herum können Geschäfte und Viertel entstehen. Mit modernen Stadien machen sich Länder für internationale Wettbewerbe interessant, und damit für Investoren. Die chinesische Regierung verfolgt mit diesen Bauten im Ausland auch politische Ziele. Senegal pflegte über Jahre diplomatische Beziehungen zu Taiwan, das machte das Verhältnis zur Volksrepublik kompliziert. Doch 2005 löste sich Senegal von Taiwan und nahm Beziehungen zu Peking auf. So wurde auch das Fundament für das neue Nationalstadion im Ringen gelegt."
(181227) -- BEIJING, Dec. 27, 2018 -- Photo taken on Dec. 9, 2018 shows the Djibouti International Free Trade Zone in Djibouti. Wang Teng) Xinhua Headlines: Chinese-built industrial parks, free trade zones provide new industrialization momentum across Africa wangshoubao PUBLICATIONxNOTxINxCHN
China in Afrika: Neues Kolonialherrentum?
China ist zum wichtigsten Handelspartner etlicher afrikanischer Staaten avanciert. Infrastruktur gegen Rohstoffe, so der Deal. Gleichzeitig firmiert China aber auch als großer Kreditgeber, Kritiker fürchten eine wachsende Abhängigkeit Afrikas von der Volksrepublik.
Handelsvolumen ist enorm gewachsen
Das Handelsvolumen zwischen Senegal und China ist seither enorm gewachsen, laut der chinesischen Regierung von rund 200 Millionen Dollar im Jahr 2005 auf nunmehr fast 2,5 Milliarden. Laut chinesischen Forschern wie Ding Guanghui hat die Volksrepublik in mehr als hundert Ländern über 2.000 Infrastrukturprojekte gefördert: Regierungsgebäude, Bahnhöfe, Messezentren oder Bibliotheken. Und auch mehr als hundert Stadien, von den zwei Drittel in Afrika liegen. Doch Matt Ferchen machen diese Zahlen skeptisch, er forscht am Mercator Institut für China-Studien, kurz MERICS, mit Sitz in Berlin.
"Schon vor Jahren haben sich internationale Finanzinstitute wie die Weltbank aus etlichen Entwicklungsländern zurückgezogen. China hat dieses Vakuum gefüllt und sich als Helfer präsentiert. Doch in vielen Fällen wurde keine Win-Win-Situation geschaffen. Peking möchte Investitionen und Erträge so groß wie möglich erscheinen lassen. Von Korruption und Geldwäsche, die es bei einigen Projekten auch gibt, ist weniger die Rede. Und dann sollten wir uns auch fragen, ob manche Länder, die von Krisen geprägt sind, diese Stadien überhaupt brauchen. Gern inszenieren sich Diktatoren bei der Eröffnung mit ihren neuen chinesischen Freunden."
Chinesische Stadion-Diplomatie hat eine lange Tradition
Die Wurzeln der so genannten Stadion-Diplomatie liegen rund sechs Jahrzehnte zurück. Im Kalten Krieg bezog die Volksrepublik unter Mao Zedong zunächst Wirtschaftshilfe von der Sowjetunion. Peking wiederum unterstützte mit Bauprojekten sozialistische Regierungen in Afrika, Asien und Lateinamerika, auch mit neuen Stadien. 1964 besuchte Premierminister Zhou Enlai zehn afrikanische Staaten, die nach dem Kolonialismus unabhängig geworden waren. Charlie Xue von der City Universität in Hongkong zählt zu den wichtigsten Architektur-Forschern in Ostasien.
"Ich war ein Kind in den Sechzigerjahren. Damals war China sehr arm, das Essen wurde rationiert. Die Beziehungen zur Sowjetunion verschlechterten sich. China hatte international wenige Freunde. Doch es gab einige Regierungen, die mit den großen Machtzentren USA und UdSSR wenig anfangen konnten, sie bewunderten Mao Zedong. Mit diesen Ländern baute China Beziehungen auf. Selbst während der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976, als Schulen und Universitäten geschlossen waren, selbst in dieser verheerenden Zeit ließ China fünf oder sechs Stadien im Ausland bauen."
Der Fußballplatz eines Dorfes ohne nennenswerten Rasen und mit einem roh gezimmerten Tor ohne Netz aus Baumstämmen, aufgenommen am 2006 nahe der Stadt Blantyre (Provinz Mphuka) in Malawi.
Ein Fußballplatz in Malawi (picture alliance/dpa - Frank May)
Peking finanziert und kassiert im Gegenzug Rohstoffe aus Afrika
Anstelle von Taiwan wurde die Volksrepublik 1971 in die UN aufgenommen, auch mit Unterstützung vieler afrikanischer Staaten. Das Infrastruktur-Netzwerk wuchs weiter, doch von einem Bauboom kann man erst im neuen Jahrtausend sprechen. Ob Ghana oder Angola, Gabun oder Kamerun: Chinesische Firmen bauten und finanzierten Stadien für Gastgeber der Fußball-Afrikameisterschaften. Peking gestattete den Käufern günstige Kredite. Und sicherte sich langfristig den Zugang zu Rohstoffen wie Öl, Kupfer oder Kobalt, berichtet Simon Chadwick vom Zentrum für die Eurasische Sportindustrie.
"Um solche Erfolge in Europa zu erreichen, benötigen chinesische Firmen mehr Zeit, Anstrengung und Diplomatie. In Afrika sind Standards für Governance und Wirtschaftsethik oft nicht so streng wie in Europa. Und auch ohne neue Stadien erweitert China seinen Einfluss: 2019 führte der Konzern Huawei in Ägypten den schnelleren Mobilfunkstandard 5G ein, kurz vor Beginn des dortigen Afrika-Cups. Auch so sichert sich China Legitimität an wichtigen Standorten."
China will Europa, Asien und Afrika vernetzen
Der Suezkanal östlich von Kairo gilt für die Neue Seidenstraße als essenziell. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts will China siebzig Länder in Europa, Asien und Afrika vernetzen: durch Bahnlinien, Schnellstraßen, Pipelines oder Häfen. Der Gesamtwert soll bei fast einer Billion Euro liegen. Entlang der Handelsroute möchte Peking neue Sportstätten bauen, ein Stadion im kroatischen Rijeka oder eine Schwimmhalle im weißrussischen Minsk. So könnten sich weitere europäische Staaten künftig nach Peking orientieren. Handelt es dabei um eine neue Form des Kolonialismus? Der China-Forscher Matt Ferchen.
"Es ist offensichtlich, dass China nicht mit Waffengewalt in die Länder eindringt, so wie es einige Staaten aus Europa in früheren Jahrhunderten praktiziert haben. Aber etliche Strukturen erinnern dann doch an die koloniale Vergangenheit. Einige chinesische Unternehmen präsentieren sich in Afrika oder Lateinamerika als Neuankömmlinge. Sie werfen mit Geld um sich und nehmen nicht immer Rücksicht auf die lokalen Regeln und Bedürfnisse. Auch durch Bauprojekte wie Stadien entstehen strukturelle Abhängigkeiten. So verpflichten sich manche Länder zum Import von chinesischen Waren."
Das Megaprojekt Neue Seidenstraße
Fast eine Billion Dollar investiert China in die Handelsrouten der Neuen Seidenstraße nach Europa und Afrika. Das soll seine Wirtschaft stärken und geopolitische Macht ausbauen.
Das Bild zeigt den Containerhafen in Duisburg. Ungefähr 25 Züge pro Woche nutzuen die neue Seidenstraßen-Verbindung zwischen Duisburg und den chinesischen Städten Chongqing und Yiwu.
Europas Angst vor Chinas Neuer Seidenstraße
Mit seiner Infrastrukturinitiative Neue Seidenstraße breitet sich China auf dem Globus aus. Eine Gefahr oder eine Chance für die EU?
Mehr als eine Million Chinesen leben in Afrika
Bereits 2011 verdrängte China die USA als wichtigsten Handelspartner Afrikas. Mehr als eine Million Chinesen leben auf dem Kontinent, rund 2.500 chinesische Unternehmen sind präsent. Viele von ihnen vertreiben Billigwaren aus Fernost, was der heimischen Produktion schadet. Viele setzen nicht auf einheimische, sondern auf chinesische Arbeiter, auch im Stadionbau, was mitunter zu Spannungen und Protesten gegen China führt. Der Architektur-Professor Charlie Xue:
"In den meisten Fällen steht es um die Stadien schlecht. Die Instandhaltung ist nicht gut, und so sind die Stadien manchmal schon nach zehn oder zwanzig Jahren in einem traurigen Zustand. Oft schickt China noch heute technische Teams, um nach dem Rechten zu sehen. Aber das ist nicht nachhaltig."
Die Entwicklungshilfe Chinas steht in der Kritik. Aber war der Westen erfolgreicher? Seit 1960 sollen mehr als eine halbe Billion Euro aus Europa und Nordamerika nach Afrika geflossen sein. Die dortige Wirtschaftsleistung pro Kopf ist jedoch gesunken. Langfristig könnte China Teile seiner Industrie in afrikanische Niedriglohnländer auslagern. Die Basis ist gelegt, auch mit Dutzenden Stadionbauten.